Rezension zu: Franz Grothe / Hrsg. von Theresa Henkel und Franzpeter Messmer, München 2019.
Franz Grothe / Hrsg.
von Theresa Henkel und Franzpeter Messmer. – München: Allitera, 2019. –
163 S.: s/w-Abb., Notenbsp. (Komponisten in Bayern ; 64)
ISBN 978-3-96233-115-3 : € 19,90 (brosch.)
Zu der im Frühjahr 2019 erschienenen Monographie verfasste Andreas Vollberg (Köln) am 04. Mai 2019 auf info-netz-musik.bplaced.net eine Rezension. So heißt es über " ... den intensiv
recherchierten und quellenbezogenen Basisartikel zu Vita und Entwicklung
des Schaffens" (Franz Grothes) des Autorentandems Lutz Fahrenkrog-Petersen und Melanie Kühn (Berlin): "... Bekanntes, oft anekdotisch Verbrämtes profitiert hier vielerorts von
neuen Blickwinkeln, terminologischer Auffrischung und vergleichender
Neubewertung."
"... Offen schauen die Biographen und weitere Co-Autoren dem
neuralgischsten Faktum ins Visier: Grothes aktenkundiger
NSDAP-Mitgliedschaft ab 1. Mai 1933. Zweierlei Sprache sprechen die
sensibel abgewogenen Tatsachen: Grothe diente künstlerisch dem
Goebbelsschen Propagandasystem, agierte führend in Funk und
Reichsmusikkammer und produzierte mit dem staatlichen Deutschen Tanz-
und Unterhaltungsorchester eine legalisierte, weil moderate Form des
beim Regime verpönten Swing, bestritt jedoch im Zuge eines nachmals
langwierigen Entnazifizierungsverfahrens konsequent jegliches Wissen um
seine Parteiregistrierung. Umgekehrt hatte er es gewagt, jüdische
Mitarbeiter zu beschäftigen, war wegen jüdischer Kontakte denunziert
worden und erhielt vehemente Kollegenfürsprache gegenüber den
Alliierten, die ihn schließlich als „Mitläufer“ einstuften. Fazit der
Autoren: Ob Grothe „tatsächlich nichts von der Mitgliedschaft gewusst
haben kann oder ob ihn jemand Drittes“ – sein Cousin und Haupttexter
Willy Dehmel dürfte ausscheiden – „angemeldet hat, ist kaum noch zu
klären.“
Der Produzent des 1982 aufgeführten Porträtkonzerts, bei dem Grothe im September 1982 im Funkhaus Köln zusammenbricht, Harald Banter (Jahrgang 1930), und Grothes Kollege,
der Komponist Klaus Wüsthoff (Jahrgang 1922), "heben in persönlich erinnernden Interviews mit
GEMA-Direktor Jürgen Brandhorst Grothes Universalität hervor", so Vollberg und fährt fort in seiner Analyse:
"Kommt
Ex-GEMA-Vize Michael Karbaum nach freundschaftlichem Rückblick auf
Grothes GEMA-Aufsichtsratsvorsitz zu einer ebenfalls pointierten
Charakteristik, beschreibt Brandhorst beeindruckend ungeschönt die der
Förderung von Musikschaffenden und dem objektiv forschenden Andenken des
Initiators dienenden Aufgaben der Grothe-Stiftung. Den Bestand des
Berliner Grothe-Archivs und sein Potential für Wissenschaft, Repertoire
und Musikpraxis erschließt dessen Betreuer Alexander Schatte."
Auch Grothes norwegischwer Ehefrau, der Schauspielerin und Sängerin Kirtsen Heiberg, ist ein Kapitel des Bandes gewidmet, dazu bemerkt Vollberg:
"... entreißt Alexander Hess Grothes erste Ehefrau, die Norwegerin Kirsten Heiberg (Heirat 1938), dem schmerzlich berührenden Vergessen. Faszinierende Darstellerin und kongeniale Liedinterpretin, war Heiberg, so Hess‘ Fazit, auch aus Liebe zu Franz „zur falschen Zeit am falschen Ort.“ (S. 53)."
"... entreißt Alexander Hess Grothes erste Ehefrau, die Norwegerin Kirsten Heiberg (Heirat 1938), dem schmerzlich berührenden Vergessen. Faszinierende Darstellerin und kongeniale Liedinterpretin, war Heiberg, so Hess‘ Fazit, auch aus Liebe zu Franz „zur falschen Zeit am falschen Ort.“ (S. 53)."
Nach dem biographischen Kapiteln folgen im Buch die Analysen zu Grothes Werk, zu denen Vollberg in seiner Rezension fortfährt:
"Ein Quartett von werkanalytischen Arbeiten, die Grothes vermeintlich leichter Muse mit gleichem Respekt und wissenschaftlichem Ernst begegnen wie den Denkmälern der Hochkultur, eröffnet Michael Braun exzellent mit einer nach Genres (Historienfilm, Komödie, Revue, Bearbeitung fremder Vorlagen) gruppierten und klug an den kulturpolitischen Direktiven abgeglichenen Studie zu Grothes Filmmusiken im NS-Deutschland. Erstaunlich: Dürftige Musikalisierungen reiner Propagandafilme oder doppeldeutige Durchhalteschlager könnten versteckte Subversion andeuten. Die Intention von Filmmusik als integraler Teil eines Ganzen, musikalische Parameter des Atmosphärischen und produktionspraktische Aspekte (Mitarbeit von Arrangeuren u.a.) macht Roland Mörchen am Schaffen nach 1945 konkret. Tief in den Notentext der unvergessenen Räuberkomödie Das Wirtshaus im Spessart dringt Kay Westermann. Ihm gleich im Durchleuchten der innermusikalischen Dimensionen und Parameter (Melodie, Harmonie, Rhythmus, Wort-Ton-Verhältnis, Instrumentation) tut es mit Bravour Mechthild von Schoenebeck. Unter dem Zuspruch Wenn ein junger Mann kommt, der fühlt, worauf’s ankommt stellt sie diesen und sieben weitere Topnummern auf den Prüfstand. Überzeugender Befund: charakteristische Stilmerkmale (u.a. Vertreterklänge, jazztypische Akkordprogressionen vs. Singstimme ohne Jazzeinschlag), eine Melodien-Typologie, ästhetisch fallweise eine „Gratwanderung zwischen Schlager und Jazz, zwischen Anpassung und Distanz, zwischen Unterhaltung und Kunst.“ (S. 147) Zu verifizieren bliebe noch, inwieweit die besprochenen Arrangements und Schallaufnahmen Grothes eigene Handschrift oder die der Kollegen tragen. ..."
Die Rezension von Adreas Vollberg finden Sie unter: http://info-netz-musik.bplaced.net/?p=16521
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